In meinem Studium zur Architektin habe ich die Gestaltung von Räumen gelernt. Aber ich war weiter auf der Suche und begann, mich – neben vielen anderen Themen – mit Pflanzenfarben zu beschäftigen.
Mit der Ausbildung zur Restauratorin folgte ich dem neuen Feld der natürlichen Materialien und mir offenbarte sich eine ganz andere Ästhetik. Die Oberfläche einer Schellackpolierung erschien mir so schön und lebendig, sie „sprach“ mit mir. Das alte Handwerk ist im Einklang mit der Natur.
Und je mehr ich mich damit beschäftige, spüre ich das Bedürfnis der (Rück-)Verbindung mit der Natur und ihrer großartigen Schönheit. Und das Künstlerisch-Gestalterische, das mir durch meine Eltern in die Wiege gelegt wurde, macht immer mehr Sinn, war der Beginn und ist das Fundament für die feine Wahrnehmung und die sinnliche Ästhetik.
Wie gesagt, seit 2017 beschäftige ich mich intensiv mit Pflanzen- und Mineralfarben – nicht nur als Material, sondern als Medium für Veränderung.
In meinen Workshops zur Farbe und Raumgestaltung begleite ich auch Jugendliche in der Berufsorientierung, manchmal Schüler*innen aus „Brennpunktschulen“ (den Begriff mag ich nicht, weil er eine Schublade ist, aus der man sich erst mal wieder befreien muss, wenn man für sich gehen möchte. Aber er beschreibt gewisse Dynamiken, Sozialverhalten, Aggressionen gegen andere und sich.)
Jedenfalls habe ich während der Schulworkshops Erstaunliches beobachtet: Sobald sie beginnen, ihre Farben selbst anzumischen – Pigmente mit Bindemitteln zu vermengen, Konsistenzen zu erspüren – kehrt Ruhe ein. Die Unruhe weicht einer konzentrierten Stille. Ein Mädchen rief mal verwundert und ungläubig: „…ist so still hier“.
Sie kommen an … bei sich selbst.
Und eigentlich wusste ich, was die Arbeit mit natürlichen Materialien bewirkt. In meiner Diplomarbeit hatte ich es schon theoretisch erforscht. Die Phänomenologen vor rund hundert Jahren nannten es „leibliche Wahrnehmung“, die heutige kulturelle Bildung spricht von ästhetischer Erfahrung. Der französische Philosoph Merleau-Ponty beschrieb es als unser „Zur-Welt-sein“, ein Sich-in-Beziehung-setzen.
Ich habe meine Unternehmung bewerken genannt – von werken und bewirken. Im Werken verändern wir nicht nur das Material, sondern auch uns selbst. In der direkten Auseinandersetzung mit Farbe und Raum beginnen wir (es) zu fühlen.
Und hier liegt mein Bestreben: Werke und Räume zu schaffen, in denen Menschen sich verorten, entfalten und zur Ruhe kommen können.
Herzlich Cilly
Dipl.-Ing. Architektur & Restauratorin im Handwerk